Mainz setzt auf Klimaschutz mit „Wumms“ Stadtwerke und Stadt kündigen Programm für mehr als 200 Millionen Euro an
Das gaben heute Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitzender und Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling und die Stadtwerke-Vorstände Daniel Gahr und Dr. Tobias Brosze bei einem Pressegespräch bekannt. In der vergangenen Woche hatte der Stadtwerke-Aufsichtsrat grundsätzlich grünes Licht gegeben für ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Projekten, die in Zusammenarbeit mit der Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz und der Stadt Mainz umgesetzt werden sollen.
Die Stadtwerke und die Stadt haben als Grundlage für dieses Programm eine neue Klimaschutzvereinbarung unterzeichnet, die die bisherige Klimaschutzvereinbarung aus dem Jahr 2007 weiterentwickelt. Hauptziel der alten Vereinbarung war, dass die Stadtwerke bis 2020 mit ihren Fotovoltaik-, Windkraft und Wasserkraftanlagen 20 Prozent des Mainzer Stromverbrauchs decken sollten – insgesamt 300 Millionen Kilowattstunden umweltfreundlich produzierter Strom im Jahr. „Dieses Ziel hatten wir bereits früher als geplant übertroffen. Jetzt setzen wir uns neue, ehrgeizige Ziele“, verdeutlichen Gahr und Brosze. Der Mainzer Oberbürgermeister wertet das neue Klimaschutzprogramm als „ein wichtiges Ausrufezeichen in diesen schwierigen weltpolitischen Zeiten“. Man wolle nicht ohnmächtig zusehen, wie an fernen Orten über unsere Energiezukunft entschieden wird. Michael Ebling: „Wir machen uns durch dieses Programm ein ganzes Stück weit unabhängiger von Energieimporten.“
Das wurde bereits beim Klimaschutz bereits erreicht:
Die Mainzer Stadtwerke AG betreibt mit ihren Tochter- und Beteiligungsunternehmen deutschlandweit aktuell
- mehr als 120 Windkraftanlagen
- 199 Fotovoltaikanlagen
- 12 Wasserkraftanlagen
oder ist an diesen Anlagen beteiligt.
Die jährliche Stromproduktion dieser Anlagen (MSW-Anteil) betrug in den vergangenen drei Jahren jeweils zwischen 333 Millionen und 391 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Rechnerisch reicht das aus, um heute schon alle Mainzer Haushalte mit klimafreundlich erzeugtem Strom zu versorgen.
Mehr als 400 Millionen Euro wurden in den vergangenen 15 Jahren in EE-Anlagen investiert. Für den Vorstand überaus sinnvoll angelegtes Geld. Daniel Gahr: „Heute profitieren wir auch wirtschaftlich davon, dass die Stadtwerke schon vor vielen Jahren auf Erneuerbare Energien gesetzt haben.“
Jetzt wird die nächste Stufe beim Klimaschutz gezündet: Bis Ende des Jahrzehnts möchten die Stadtwerke über ihre Tochter- und Beteiligungsunternehmen deutschlandweit mehr als 200 Millionen Euro in neue Anlagen, aber auch in Programme und Projekte für den Klimaschutz und die Energieeffizienz vor Ort investieren. „Derzeit dauert die Projektakquise im Bereich Windkraft ein bis zwei Jahre und die eigentliche Projektentwicklung dann noch einmal drei bis fünf Jahre“, erläutert Dr. Tobias Brosze den längeren Zeitrahmen zur Umsetzung neuer Projekte. „In Summe benötigt die Planung eines Windparks also vier bis sieben Jahre, mitunter aber auch länger.“ Im Bereich Fotovoltaik geht es etwas schneller: Neue Projekte benötigen bis zur Fertigstellung aktuell etwa zwei bis drei Jahre. Brosze: „Wir setzen aber bewusst auch künftig auf den Ausbau von Sonnen- und Windkraft.“
Das Engagement der Mainzer Stadtwerke im Bereich Erneuerbare Energien fußt grundsätzlich auf zwei Säulen:
Für die Projekt-Realisierung sind verantwortlich:
- Mainzer Erneuerbare Energien GmbH (MEE) und deren Tochtergesellschaften wie etwa die Pionext
- Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW AG) und deren Tochtergesellschaften wie etwa die Altus AG oder BinnenWind GmbH
Über diese Kanäle hat die MSW nun mit Partnerunternehmen Zugriff auf eine Reihe interessanter und aussichtsreicher Projekte, in die je nach Geschwindigkeit der Entwicklung und den dazu passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen investiert werden soll.
Daniel Gahr: „Der Bundeskanzler würde vielleicht von einem Mainzer Klima-Wumms sprechen und das ist auch nicht ganz verkehrt: Immerhin möchten wir in den kommenden fünf bis sieben Jahren Projekte in einer Größenordnung von mehr als 200 Millionen Euro entwickeln und einen nennenswerten Teil dieser Anlagen danach auch dauerhaft in den Bestand übernehmen.“
Und was bedeutet das für den Klimaschutz? Mit der Strommenge aller bereits in der Umsetzung befindlichen oder derzeit neu geplanten Windkraft- und Fotovoltaikanlagen zusammen würde die Stadtwerke-Unternehmensgruppe bis 2030 die von ihr bisher bereits klimafreundlich erzeugte Strommenge von rund 350 Millionen Kilowattstunden im Jahr nahezu verdoppeln. Rein rechnerisch würde das nicht nur für den Stromverbrauch aller Mainzer Haushalte reichen, sondern auch für den Großteil der Wiesbadener Haushalte.
Das ist konkret an neuen EE-Anlagen geplant:
Mainzer Erneuerbare Energien GmbH
Die MEE und damit die Mainzer Stadtwerke AG ist zu einem Drittel an der 2019 gegründeten Pionext Asset GmbH & Co. KG (Pionext) beteiligt, die anderen Drittel halten die Ludwigshafener Pfalzwerke und die Wormser EWR. Pionext ist in erster Linie ein Projektentwickler für neue Windkraft- und Fotovoltaikanlagen vor allem im südwestdeutschen Raum. Darüber hinaus ist das Unternehmen mit Sitz in Alzey Betriebsführer für die bereits bestehenden Erneuerbare-Energien-Anlagen der drei Muttergesellschaften.
Die Pionext möchte in den nächsten fünf Jahren in Rheinland-Pfalz mehrere neue Windparks mit insgesamt 21 Windkraftanlagen entwickeln und realisieren. Die Investitionskosten dafür werden aktuell grob auf mehr als 170 Millionen Euro geschätzt – auf die MSW entfällt mit knapp 60 Millionen Euro ein Drittel dieser Summe. Im Bereich Fotovoltaik gibt es Planungen zur Entwicklung und Realisierung von bis zu 15 Freiflächenanlagen in Deutschland mit einer Gesamtleistung von mehr als 300 Megawatt. Das Investitionsvolumen im Bereich Fotovoltaik würde bei etwa 180 Millionen Euro liegen, wenn sich alle Anlagen realisieren ließen – der Stadtwerke-Anteil daran etwa würde ebenfalls etwa 60 Millionen Euro betragen.
Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG
Die Altus AG aus Karlsruhe ist eine 100-prozentige Tochter der KMW AG und ein seit Jahren etablierter Projektentwickler im Bereich Windkraft- und Fotovoltaik. Aktuell arbeitet die Altus AG für die KMW AG an der Planung und Umsetzung von sechs Windparks mit insgesamt 22 Windkraftanlagen in Rheinland.-Pfalz und Niedersachsen. Falls alle Projekte realisiert werden können, erfordert dies Investitionen bis 2026 von rund 180 Millionen Euro. Im Bereich Fotovoltaik gibt es Überlegungen zum Bau von vier Freiflächenanlagen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit einer Gesamtleistung von mehr als 40 Megawatt. Die Investitionssumme für diese Anlagen ist mit mehr als 25 Millionen Euro veranschlagt. Außerdem arbeitet die KMW über die gemeinsame Tochtergesellschaft BinnenWind GmbH seit einigen Jahren mit den Wuppertaler Stadtwerken im Bereich Erneuerbare Energien eng zusammen. Die BinnenWind hat ebenfalls bereits einige neue Windpark-Projekte in der Entwicklung. Unter der – wenn auch optimistischen – Annahme, dass alle Projekte auch tatsächlich eine Genehmigung erhalten und realisiert werden können, würde das bei der KMW weitere Investitionen in Höhe von 67 Millionen Euro erfordern.
Neues Klimaschutzpaket mit der Stadt
Doch nicht nur bei neuen überregionalen EE-Anlagen wollen die Stadtwerke aufs Tempo drücken: Konkrete Vereinbarungen enthält die neue Klimaschutzvereinbarung mit der Stadt auch für Klimaschutz- und Energieprojekte vor Ort in Mainz.
Elektromobilität
- In Mainz sollen 50 weitere Ladepunkte der Stadtwerke bis Ende 2024 entstehen, darunter 10 Ladepunkte mit mindestens 50 Kilowatt Ladeleistung. Die MSW möchten darüber hinaus auch den Ausbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur von Privaten unterstützen.
- Abhängig von Fördermitteln sollen bis 2030 bei der Mainzer Verkehrsgesellschaft 100 emissionsfreie Busse im Einsatz sein.
- Ausbau der privaten E-Mobilität ab 2023 mit finanzieller Förderung zur Anschaffung von E-Bikes, Wall-Boxen, Netzanschlüssen bei Gemeinschaftsprojekten, Lastmanagement oder e-Car-Sharing.
- Die Fahrzeugflotte der Mainzer Stadtwerke AG soll bis Ende 2026 zu 50 Prozent aus vollelektrischen oder Plug-in-hybriden Fahrzeugen bestehen.
Bürger-Förderung Fotovoltaik
Die MSW initiiert in Kooperation mit der Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz (MSKE) ein Förderprogramm, das sich gezielt an Bürgerinnen und Bürger sowie gewerbliche Kundinnen und Kunden richtet.
- Ziel: Bis zu 500 zusätzliche PV-Anlagen auf Mainzer Dächern
- Zusätzliches Programm ab 1.1. 2023 für PV-Balkonanlagen, finanziert durch die Mainzer Stiftung
Initiative zur Realisierung von Fotovoltaik, Elektromobilität und emissionsarmer Wärmeversorgung bei kommunalen Liegenschaften
- Engere Kooperation der Mainzer Stadtwerke mit der Wohnbau Mainz GmbH (WBM) sowie der Stadt Mainz bei den Themen Klimaschutz und Energieeffizienz. Ein Fokus liegt auf der Nutzung der Dachflächen der WBM und der Stadt für den Ausbau von Fotovoltaik. Ein weiterer auf der Vorreiterrolle für kommunale Liegenschaften beim Thema dekarbonisierter Gebäudebestand durch eine emissionsarme Wärmeversorgung und E-Mobilität. Die ersten Projekte von MSW, WBM und Stadt sollen im Jahr 2023 umgesetzt werden.
- Konzeption und Umsetzung zu ein bis zwei großen Leuchtturmprojekten für großflächige Fotovoltaikanlagen im Stadtgebiet – etwa auf Parkplätzen.
Start eines Modellprojekts zur energetischen Sanierung einer Mainzer Sportanlage und einer Mainzer Schule
- Exemplarisch sollen die Möglichkeiten der energetischen Sanierung und Energiepotenziale bei Sportvereinen am Beispiel des TSV Schott Mainz untersucht und umgesetzt werden. Welche Mainzer Schule für diese Modellprojekt ausgewählt wird, ist noch offen.
Entsiegelung und Begrünung in der Stadt
- Die MSW wird mit wesentlicher Unterstützung der MSKE die Stadt darin unterstützen, weitere Schulhöfe zu begrünen und in ein städtisches Entsiegelungsprogramm zu überführen.
Ausbau der Wasserstoffregion Mainz – RheinMain
- Erhalt und ggf. Ausbau des Energieparks Mainz
- Gemeinsam mit der Stadt und der KMW soll Mainz zu einer der führenden Wasserstoffregion weiterentwickelt werden.
- Aufbau eines lokalen Wasserstoffnetzes, sofern substanzielle Wasserstoff-Bedarfe in der Industrie und der Mobilität entstehen.
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