Kategorien: Stadtwerke AG
02.07.2015

Kampf gegen Subventionen für Atomkraft

Stadtwerke Mainz unterstützt Klage gegen EU-Kommission wegen Beihilfe für Hinkley Point

BERLIN/MAINZ. Die Stadtwerke Mainz AG zieht gegen geplante Subventionen für neue Atomkraftwerke durch die EU vor Gericht: Ein Bündnis aus Ökostromanbietern und deutschen Stadtwerken hat heute in Berlin bekanntgegeben, dass man gegen Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C klagen wird. Die bereits fertiggestellte Klage werde in den kommenden Tagen beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg eingereicht, erklärten die zehn Unternehmen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Am Abend stimmt der Bundestag darüber ab, ob auch Deutschland gegen die umstrittenen Beihilfen Klage erheben soll. Greenpeace Energy, die Energieversorgung Filstal, die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Mainz, Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen gehen mit ihrer Klage gegen die Europäische Kommission vor, die die Atomsubventionen in dreistelliger Milliardenhöhe genehmigt hat. Das Klagebündnis belegt zudem mit einer neuen Studie, dass Hinkley Point C und weitere mögliche AKW-Projekte nach dem blaupausenartigen Genehmigungsmodell der Kommission die Preise auf dem deutschen Strommarkt um bis zu zwölf Prozent beeinflussen und so den Wettbewerb massiv verzerren können. „Wir klagen gegen diese maßlosen Atomsubventionen, weil sie ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig erscheinen und erhebliche finanzielle Nachteile für andere Energie-Anbieter, die Ernerbaren und die Verbraucher bedeuten“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Allein eine für 35 Jahre versprochene und an die Inflation angepasste staatliche Einspeisevergütung für Hinkley Point C summiert sich nach Berechnungen im Auftrag von Greenpeace Energy auf 108 Milliarden Euro. Zudem sichert der britische Staat für den Bau des Atomkraftwerks Bürgschaften in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro sowie weitere Garantien für die Investoren zu. Das Vorgehen des Mainzer Stadtwerke-Vorstandes findet die volle Unterstützung des Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitzenden und Mainzer Oberbürgermeisters Michael Ebling. „Wir besitzen hier in Mainz mit dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk der KMW AG auf der Ingelheimer Aue eines der modernsten und umweltfreundlichsten Kraftwerke der Welt. Diese Anlage produziert klimafreundlich Strom und Wärme gleichzeitig und gerät wirtschaftlich immer mehr ins Abseits, weil Atomkraftwerke und klimaschädliche Kohlekraftwerke weiterhin unterstützt werden. So wird die Energiewende nicht gelingen.“ „Durch die Entscheidung der EU-Kommission drohen negative Auswirkungen auf unsere umweltschonenden Erzeugungsanlagen“, sagt auch Dr. Achim Kötzle, energiewirtschaftlicher Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen im Namen der acht Stadtwerke in der Klagegemeinschaft. Kötzle sieht in den Beihilfen für Hinkley Point C „ein nachhaltig negatives Störsignal“ für die Wirtschafts- und Investitionstätigkeit der Stadtwerke, die sich einer regionalen Energieversorgung und dem Ausbau der erneuerbaren Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung verpflichtet sehen. „Wenn das britische Beihilfemodell Schule macht – und hierzu gibt es starke Signale aus Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn – dann sieht es um die deutsche Energiewende und die dezentrale Energieversorgung düster aus“, sagt Kötzle. Das belegt auch eine neue Untersuchung im Auftrag der Klagegemeinschaft: „Würde das Beihilfeschema für Hinkley Point C als Vorbild für weitere AKW-Projekte in Europa dienen, so hätte dies in den kommenden Jahren enorme Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt“, sagt Studienleiter Thorsten Lenck von Energy Brainpool. Das Berliner Analyseinstitut hat im Auftrag der Klagegemeinschaft errechnet, dass geplante, hochsubventionierte AKW in sechs EU-Staaten den Großhandelspreis für Strom in Deutschland um bis zu 11,8 Prozent drücken können: die Megawattstunde Börsen-Graustrom, der auch Atomstrom enthält, würde sich um bis zu 5,70 Euro verbilligen und damit zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für Anbieter erneuerbarer Energien führen. „Wegen des Preisverfalls für Börsenstrom steigen die jährlichen Mehrbelastungen für das EEG-System auf bis zu 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2040“, sagt Lenck. Durch höhere Differenzkosten wird der AKW-Ausbau in der EU damit auch für die Verbraucher in Deutschland spürbar: sie müssten bis zu 16,39 Euro mehr EEG-Umlage pro Jahr zahlen – allein wegen der Preiseffekte durch hochsubventionierten Atomstrom aus dem Ausland. „Hinkley Point C darf nicht zum Türöffner für eine teure und gefährliche Wiederkehr der Atomkraft in Europa werden“, sagt Sönke Tangermann mit Blick auf die heutige Bundestagsabstimmung: „Für die deutsche Politik ist jetzt die letzte Gelegenheit, klagende Parteien als Streithelfer zu unterstützen oder selbst gegen die AKW-Beihilfen vor Gericht zu ziehen – so wie Österreich, Luxemburg und unser Klagebündnis das bereits vormachen.“